Egal wo wir in Taiwan waren, es war überall überraschend sauber auf den Straßen, kein herumliegender Müll – nirgends! Aber auch – keine Abfalleimer – nirgends! Als Tourist hat man es schwer, denn ständig ist man (nur z.B.) mit Einweg-Geschirr, Servietten, Bechern, Plastikflaschen unterwegs. Ein leckeres Bun kaufen, beim Weiterlaufen essen – und jetzt? – wohin mit der Tüte, der Serviette? – No way, entweder Du schleppst all Deinen Müll den ganzen Tag mit bis Du leicht verschämt alles in deinem Hotelzimmer-Mülleimer räumst, oder: Du bleibst brav stehen, isst am Stand auf und übergibst die Überreste wiederum dem gleichen Stand – funktioniert! Außerdem ist Essen beim Laufen sowieso ungesund, nicht besonders kultiviert, stressend, unentspannt….
Die Sache mit dem Müll hat natürlich einen Hintergrund: … Traditionell wurde in Taiwan der Müll zum allergrößten Teil einfach als Landverfüllung in die Landschaft „gekippt“. In den 1990er Jahren nahm das Müllproblem überhand und viele lokale Bürgerbewegungen blockierten neue Landverfüllungen und demonstrierten gegen die alten, die häufig über ihren Genehmigungszeitraum hinaus noch genutzt worden, zumal Berichte aufkamen, dass das Trinkwasser an einigen Orten gefährdet sei und auch der Ausbruch von Dengue-Fieber wurde befürchtet. Zur Hilfe kam, das bestimmte Gesetze geändert wurden, und jetzt Demonstrationen ohne große politische Hemmnisse erlaubt waren. Die Regierung antwortete erst mit dem Bau von Müllverbrennungsanlagen, auch das Recycling wurde mehr gefördert, aber das reichte in keiner Hinsicht, es entstanden NGO`s , unter anderen die Homemakers United, die als Frauengruppe startete und über Umweltprobleme diskutierte. Sie entschieden sich dafür, ein gemeindebasiertes Recycling- und Kompostiersystem vorzuschlagen, um zu beweisen, dass großflächiges Recycling möglich ist. Dieses private Engagement gipfelte im “Waste Disposal Act” von 1998, in dem Recycling und Abfallreduktion zum Hauptziel gemacht wurden.
Aber die Mülltonnen verschwanden noch auf einen anderen Weg:
es gab das “The Pay-As-You-Throw scheme”, was bedeutete, Du zahlst auf Grundlage der Menge, die Du produzierst. Das führte dazu, das jeder versuchte, seinen Müll in öffentlichen Mülleimern zu entsorgen, um weniger für seinen Müll zahlen zu müssen.
Als in Konsequenz die öffentlichen Mülleimer (quasi über Nacht) weggenommen wurden, kamen dafür täglich die melodisch „singenden“ Müllabfuhrfahrzeuge – ein Schauspiel, das man einmal erlebt haben muss: beim Ertönen einer bestimmten Melodie – die im übrigen im ganzen Land die Gleiche ist – strömen plötzlich die Menschen mit ihren Plastiktüten aus dem Haus, stellen sich wiederum vor dem Haus in Reihe auf, bis die Reihe an sie ist, ihren Müll in den Schlund zu werfen. Ein Müllmann kontrolliert hinten, Kompostmüll wird separiert, Pappe und Plastik auch. Schnell und effizient. Eine Hauptargumentation dafür ist, dass man – dadurch, dass der Müll nicht einfach überall entsorgt werden kann, stärker über sein eigenes Müllaufkommen nachdenkt.
Leider muss ich sagen, obwohl ich wirklich staune, wie sauber die Straßen sind, ich trotzdem den Eindruck habe, es geht noch mehr, die Wegwerfkultur mit Einweggeschirr ist krass, es wird – wegen der engen Wohnverhältnisse, gerade in den Großstädten – fast alles unterwegs gekauft, man bekommt komplette Gerichte – schön eingeschweißt – in jedem Convenience-Store in großer Auswahl, die Frage nach einem Kaffee, der nicht im Pappbecher mit Plastikdeckel kommt – selbst wenn man sich hinsetzen will – wird zur wirklichen Challenge. (Ist ja leider auch bei uns in vielen Coffeeshops das Gleiche!)
Und – in der Provinz haben wir leider ein weiteres Recycling-Problem gefunden, Klimaanlagen z. B., oder Zapfanlagen, oder…
Trotzdem – etwas von der Vor-meiner-Haustür-ist es-sauber-Mentalität würde man sich in Berlin auch wünschen ohne gleich in die Spießer-Ecke geschoben zu werden.
Übernommen, inspiriert und zitiert aus dem Artikel:
“How getting rid of dustbins helped Taiwan clean up its cities”
28 May 2020
Hope Ngo – Features correspondent – BBC